LandArt
Ausstellungseröffnung
Monika Niermann / Albert Radke - 22. November 2006 – Ludmillenhof Sögel
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
lassen Sie mich mit dem beginnen, was wir kulturpolitisch und auch juristisch korrekt
und damit jederzeit förderungswürdig als „Kunst im öffentlichen Raum“ bezeichnen.
Durchaus bemerkenswerte Entscheidungen der politischen Gemeinde Sögel wie
auch der hiesigen Kirchengemeinde St. Jakobus haben in den letzten Jahren
einheimische Kunstschaffende mit verschiedenen gestalterischen Aufgaben betraut,
die zu sichtbaren und von der Öffentlichkeit weitgehend akzeptierten Lösungen
geführt haben.
Albert Radke aus Sögel hat dem Dichter, Historiker, Journalisten und
Feuilletonisten Levin Schücking, der zwischen 1814 und 1830 seine Jugend in Sögel
verlebte, ein Gesicht gegeben. Ebenso dem in Sögel geborenen Dombaumeister
Johann Bernhard Hensen (1828 – 1870), dem das Emsland, das Osnabrücker und
Oldenburger Land mehr als zwei Dutzend stattliche neugotische Kirchenbauten des
19. Jahrhunderts verdanken. Und seit zwei Jahren erinnert eine Sandsteinbüste an
den in Sögel hochverehrten Pastor Georg Wolters im Kath. Gemeindehaus St.
Jakobus.
Bei den letztgenannten Arbeiten kam es stets in der Konzeptionsphase zu einer
Zusammenarbeit mit der in Kluse beheimateten Dr. Monika Niermann. Und diese –
nennen wir es – offene Ateliergemeinschaft, die auf tiefer gegenseitiger Achtung und
Wertschätzung beruht, hat zu weiteren Kunstwerken der beiden im öffentlichen
Raum geführt. Ergebnisse sind die bemerkenswerten Kreuzweg-Stationen der „Via
dolorosa“ auf dem katholischen Friedhof in Sögel und die würdige Gestaltung des
Altarraums in der evangelischen Stephanus-Kirche in Lathen - mit Altartisch, Taufe,
Lesepult und Osterleuchter. Bei diesen von uns allen in Augenschein zu nehmenden
Werken im sakralen und öffentlichen Raum handelt es sich um freiplastische bzw. an
Unter- und Hintergründe gebundene Reliefarbeiten.
Also um Bildhauerarbeiten in
heimischem Sandstein aus Ibbenbühren bzw. aus dem Mainfränkischen Raum und
anderseits aus besonders präparierten, lang getrockneten und mehrfach verleimten
Eichenhölzern. Ohne die seit mehr als fünf Jahren bestehende offene
Ateliergemeinschaft der beiden Kunstschaffenden auseinander dividieren zu wollen,
liegt bei allen Arbeiten der stärkere konzeptionelle Anteil bei Monika Niermann, die
fast ausschließlich bildhauerische Umsetzung dann bei Albert Radke.
Das verbindend Gemeinsame gründet in der langwierigen gedanklichen Arbeit bei
Werkgesprächen und Entwurfskorrekturen und in einer, insbesondere die
Materialgerechtigkeit berücksichtigenden Diskussion (über Steinmetz- und
Schnitzarbeit oder zum Wachsausschmelzverfahren beim Bronzeguß), die vor jeder
Realisation der genannten gemeinsamen Werke stand.
Die ab heute im Sögeler Rathaus zu besichtigende Ausstellung will mehr von den
Arbeiten und Denkweisen beider Kunstschaffenden zeigen, gemeinsame Wurzeln
und emotionale Hintergründe ihres kreativen Tuns freilegen, auch auf gedankliche
Übereinstimmung sowie eigene Wege und Besonderheiten hinweisen. Der
Ausstellungstitel, unter dem sich Gemälde, Aquarelle und Druckgraphik sowie Holz und Sandsteinskulpturen und Installationen aus verschiedenen Materialien
subsummieren, legt ein gemeinsam erarbeitetes Programm offen, ist aber
doppelbödig genug, um Erläuterungen einzufordern.
LandArt oder Land Art (englisch)
Raffinierterweise bedienen sich beide Aussteller im Titel einer begrifflich festgelegten
Kunstrichtung, die in den 60er /70er Jahren in der englischen und amerikanischen
Kunstszene Furore machte und auch in Europa Nachahmung fand. Es handelte sich
dabei um zum Teile großräumige Eingriffe in ländliche geomorphologische Strukturen
und in die Natur, die sich u.a. ähnlicher Erscheinungsbilder wie der der mysteriösen
Kornkreise bedienten. Wir werden einige Bilder von Monika Niermann in dieser
Ausstellung finden, die in anderm Sinn ums Korn kreisen, doch will diese Form von
Land Art auch auf andere gedankliche Verbindungen hinweisen. Beiden Künstlern ist
die Aussage wichtig, daß ihre Kunst, so unterschiedlich sie dem Betrachter
erscheinen mag, ohne den Hintergrund des ländlichen Raumes - vielleicht sogar
ohne eine emsländische Prägung - kaum denkbar wären.
Land und Landleben waren schon immer der lang- und heißersehnte Rückzugsraum
des Menschen von den Mühsalen und dem kräftezehrenden Einerlei des beruflichen
Alltags, ein Ort für die seelische und körperliche Erneuerung nach Streßsituationen.
Schon den Griechen und Römern der reichen Oberschicht war der Aufenthalt auf
dem Lande stets ein Quell der Erneuerung von Psyche und Physis. Die römische
Landvilla mit ihrer besonderen Architektur war über viele Jahrhunderte
Entstehungsort großer politischer, historiographischer und philosophischer Schriften
– bis hin zu der Erfindung von exaltierten Gaumenfreuden, die uns in schriftlicher
Überlieferung angeblich der berühmte Lukullus hinterließ. Der ländliche Raum als
Inspirationsquelle für Denker, Dichter und die bildenden Künstler – das ist es,was
beide Künstler deutlich machen wollen. Eine zweitausend jährige Geschichte über
die Reize des Landlebens weiß immer nur von Erfolgen zu berichten. LandArt ist
nicht nur ein Ausstellungstitel. – Es ist die Hommage beider Künstler an den ihnen
teuer und lieb gewordenen Lebensraum!
Denke ich zurück an meine frühen Jahre als Kunsthistoriker und Museumsmann, in
denen ich noch an die ausschließlich positiven Impulse der Großstadtkultur glaubte,
so konnte man Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre beobachten, wie selbst die
jungen Künstler aus dem politisch strangulierten Berlin, selbst die aus dem Stadtteil
Kreuzberg, aufs Land strebten und im Raum Gifhorn, Wittingen, Dannenberg und
Lüneburg Fachwerkhäuser, Katen und Kotten erwarben, restaurierten und zu Ateliers
umbauten. Für das heiß ersehnte Wochenende auf dem Lande nahmen Uwe
Brehmer, Arno Waldschmidtt & Co. lange Autobahnfahrten von mehreren Stunden
und die Unwegbarkeiten des damaligen DDR-Transits in Kauf. Die Hamburger
Künstler entdeckten – weil ihnen die Insel Sylt zu teuer oder bereits ausverkauft
erschien – die Halbinsel Eiderstedt und den schmalen Küstenstreifen Nordfrieslands
(wie der eben in Clemenswerth gezeigte Wolfgang Werkmeister). Eigentlich war es
nicht der Altbundeskanzler Helmut Schmidt, der das Landleben und Segelparadies
an Brahmsee und Westensee südlich von Kiel entdeckte. Vor ihm waren bereits Paul
Wunderlich und andere Künstler da, und Horst Janssen holte sich seine Inspiration
für die alten Kopfweiden, vielleicht die schönsten Radierungen alter Bäume in der
zeitgenössischen Graphik überhaupt, in der Haseldorfer Marsch bei Pinneberg. Muß
ich daran erinnern, daß in Schleswig-Holstein wie auch hier in Niedersachsen ein
wahrer „Run“ der bildenden Künstler, gerade auch der Bildhauer, auf die vor zwanzig
Jahren stillgelegten einklassigen Schulen begann. Wer damals finanziell in der Lage
war, strebte aufs Dorf, um in diesen ehemaligen kleinen kulturellen Zentren herrlich
lichtdurchflutete Ateliers entstehen zu lassen – eben künstlerische Zentren. Es war
ein Aufbruch in die ländliche Idylle. Man engagierte sich mehr oder weniger im
dörflichen Alltag und genoß ein - den urbanen Räumen geistig und seelisch -
entrücktes Landleben, einschließlich schweißtreibenden Holzhackens für das offene
Kaminfeuer oder das Rückentraining fördernde Sammeln von Äpfeln und Pflaumen
für den selbstgebackenen Kuchen.
Landleben pur war die Grundlage für erhoffte künstlerische Initialzündungen und für
Neuorientierung, weil man aus dem Fluidum oder Ambiente einer anders verorteten
Zurückgezogenheit innere geistige Sammlung und damit künstlerische Impulse
erwartete. – Anders gesagt: Gassi gehen mit Bello in Großstadtstraßen kann
nervtötend sein, aber mit Bello oder Susi und noch mehr Vierbeinern über
Kuhfladenwiesen zu springen, kann unendlichen und unerwarteten Ideenfluß
erzeugen.
Warum das Emsland nie so ganz Rückzugsraum für heutige Denker, Schriftsteller
und Künstler geworden ist, warum es Gründe dagegen gab und noch heute gibt, soll
hier nicht weiter erörtert werden. Trotz vieler Bemühungen, zum Beispiel auch der
Emsländischen Landschaft e.V., sind die heimischen und aufs Land zugezogenen
Künstler auch heute Solitaire oder Rohdiamanten - eben keine Dutzendware - in
unserer Region, die es zu pflegen und zu polieren gilt – etwa auch dadurch, daß man
ihnen Aufgaben und Aufträge für Kunst im öffentlichen Raum überträgt.
Zu Albert Radke
Von zwei Kunstschaffenden soll hier die Rede sein, die sich dazu bekennen, hier
ihren künstlerischen und kreativen Rückzugsraum, auch Lebensraum - mit allem,
was dazugehört - gefunden zu haben. Wenn ich an dieser Stelle dem Alter die Ehre
gebe, muß von dem, allen Sögelern bekannten Albert Radke aus der Straße Im
Tünneken die Rede sein. Er kokettiert gern mit seinem Alter, meint, er fühle sich wie
28! Doch wer den Zahlendreher erkennt, staunt über seine geistige Frische und
Kreativität. Albert Radkes Verbundenheit mit unserem Land, mit der Landschaft und
unserm Dorf ist allseits bekannt. Mehr als vieles andere liebt er den Clemenswerther
Park und seinen Schloßplatz. Und so wie mancher, der an einer Bahnlinie wohnt,
unvermittelt fragt, ob der 18 Uhr-Zug schon durch sei, fragte mich über viele Jahre
meine Frau fast täglich: „Ist Albert Radke heute abend schon ums Schloß
gegangen?“ – So sind wir, er und ich, auf Clemenswerth oft zusammengetroffen. Und
ich erfuhr von seinen Kindheits- und Jugendjahren in Redewitz, Kreis
Schneidemühl/Pommern, von seiner Lehre in der väterlichen Tischlerei, wo er den
Geruch und das Gefühl für Holz verinnerlichte und erkannte, daß das Holz sein ihm
auf den Leib geschriebenes Material sei. Er erzählte vom Besuch der Handelsschule,
von den Kriegsjahren, wie er das Kriegsende als kaum mehr als 20-Jähriger erlebte.
Und ich hörte zu, wenn er vom Neubeginn in Sögel berichtete, von den
Schwierigkeiten des Vaters, im alten Beruf Fuß zu fassen, - er, der Flüchtling unter
zwölf einheimischen Tischlermeistern. Und ich erfuhr auch, daß der Sohn sich recht
bald für die handwerklich schwierigen Details im Tischlerhandwerk berufen fühlte.
Die frühen, nach 1950 begonnenen arenbergischen Restaurierungen am Schloß und
in der Schloßkapelle von Clemenswerth boten bemerkenswerte Bewährungsproben
für den jungen Tischler Albert Radke. Wie sagt er heute noch: „Mir lag einfach mehr
das Künstlerische, nicht nur das einfache Handwerk!“ – Diesem Anspruch hat er sich
nach seinen Berufsjahren als Kaufmann und Generalvertreter einer
Großfertigungsfirma für Fenster und Türen zuwenden können. Vor gut zwanzig
Jahren begann der mit allen Problemen des Materials Holz Vertraute mit der
Bildschnitzerei, wohlgemerkt als kenntnisreicher Autodidakt.
Schnell wagte er sich an Weihnachtskrippen und viele andere figürliche Arbeiten, die
bald in alle Welt verstreut wurden, bei Freunden, Verwandten und Bekannten
liebevolle Aufnahme fanden. Ars delectat – Kunst erfreut: Albert Radke war darin
sehr freigiebig, wenn er mit seinen Schnitzarbeiten Freude machen konnte. So ist bei
ihm eben nicht viel mehr geblieben als ein zwischen 1988 und 1996 entstandener
Figurenzyklus von bäuerlichen Tätigkeiten und Handwerken, in denen er
Erinnerungen an seine Jugendheimat Pommern und seine neue Heimat Emsland
verarbeitet oder wachgerufen hat. Acht Figuren aus Holz sind es. Vier Männer und
vier Frauen. Es sind der Schäfer, der Imker mit dem Bienenkorb, der Sämann, der
Mäher, also der Mann mit der Sense. Dann die Frauen, die ebenfalls an alte Zeiten
erinnern. Wie sagt das Volkslied über den März so schön: „Sie haben im Haus und
im Garten zu tun“. – Die Bäuerin oder Magd am Waschzuber, am Spinnrad, am
Butterfaß und die mit der Harke. Dann Bauer und Bäuerin an der Wiege, das neue
Leben, das Kind bewundernd: vielleicht sind es die Eltern, vielleicht auch die
Großeltern. Auf jeden Fall ein allen Christen tief vertrautes Motiv.
Albert Radke hat immer eine sehr einfache Gestaltungsform für seine Figuren aus
dem bäuerlichen Leben gewählt. Er hat dem archetypischen Habitus den Vorzug
gegeben, mit ganz einfachen Standmotiven, Figuren mit einer von der Last des
Lebens gebeugten Körperhaltung. Dazu kommen die schlichten, ihre Physiognomien
summarisch andeutenden Gesichter – alles ist einer expressionistischen
Grundhaltung geschuldet, gepaart mit einem schlichten Symbolismus. Die über
einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren entstandenen Eichenholzfiguren, mit
Stecheisen und Beitel aus dem Holz gestemmt, erscheinen stilistisch wie aus einem
Guß. Sie sind gerade da besonders spannend in ihrer Formfindung, wo die Figur und
das sie typisierende Gerät aus einem Stück herausgeschlagen sind. Die Frau mit
dem Spinnrad ist da ein schönes und charakteristisches Beispiel. – Land Art – auf
dem Humus ländlich orientierter, auch bewußt tradiert-primitive Formen
weitertragender Schnitzkunst sind aussagestarke Figuren entstanden, die seine
späteren Steinmetzarbeiten, eben die Büsten von Levin Schücking, Johann
Bernhard Hensen und des Pastor Wolters erahnen lassen. Eben Vorboten einer
großen Form sind!
Wer ist M. Monika Niermann?
Das ist, was ihren Lebenslauf betrifft, gar nicht so schnell erzählt. Denn das kleine
Mädchen, das seinen deutschen, in Bessarabien/UDSSR gegen Ende des 2.
Weltkriegs in Landwirtschaft und Weinbau tätigen Eltern auf ihrem langen Fluchtweg
gen Westen in den letzten Kriegsmonaten in Mewe, Krs. Dirschau/Westpr., in die
Wiege gelegt wurde, entwickelte sich zu einem wahren „Dollbrem“, wie man im Osten
zu sagen pflegte, - zu einer ganz Umtriebigen. Die eine Sache im wahrsten Sinne
des Wortes „meistern“ und schon eine neue Sache, ein neues Ziel im Auge haben, -
das wurde zu ihrer Lebensdevise. - Was natürlich zu Anfang ihrer Vita bei
Automobilisten Eindruck macht: Sie war Technische Zeichnerin für
Sonderentwicklungen beim weltberühmten Autobauer Borgward in Bremen. Rätseln
wir mal: Vielleicht wurde ihretwegen das schönste deutsche Auto nach dem Kriege
noch immer schöner! Doch bevor sie die berühmte Isabella in Schönheit sterben sah,
hatte sie ihr Weg über Aufbaustudien in Vechta (Schwerpunkt Kunsterziehung) zu
weiteren Studien nach Bonn und Köln geführt, u.a. zur Kunstgeschichte bei dem
auch von mir verehrten Prof. Lützeler. Ein paar Jahre war sie als Kunsterzieherin
tätig, dann folgten die Promotion in Erziehungswissenschaften, Hochschulassistenz,
Habilitation in diesem Fach mit Schwerpunkt Kunsterziehung. Das war 1987.
Danach folgten Lehraufträge an diversen Universitäten, Publikationen von Büchern,
Beiträgen in Zeitschriften, Handbüchern und Monographien. Es sieht so aus, als ob
die heutige Honorarprofessorin an der Universität Osnabrück eben dort auch das
Ende ihrer bisher glänzenden Karriere erleben möchte, aber keinesfalls will sie es
nur erwarten. Denn Stillstand gab es in ihrem Leben ganz dicht an der Kunst nie. Bei
aller theoretischen Kopflastigkeit kribbelte es ihr immer in den Fingern. Künstlerische
Praxis, Unterweisung von Profis war ihr immer wichtig, Umsetzung des theoretisch
Erarbeiten bei ernsten Zeichenstudien, beim Studium der Malerei, des Aquarells, der
Graphik. Die Bildhauerei schließlich führte sie mit Albert Radke zusammen.
Als ich sie neulich fragte, wann denn das alles begonnen hätte, sagte sie knapp:
„Schon als Kind habe ich gemalt“. Da sie im Haus eines Worpsweder Kunstmäzens
in Lilienthal bei Bremen groß wurde, war für sie die Begegnung mit den Künsten
tägliches Erleben und Zeichnen und Malen, eben künstlerische Kreativität
fortgesetzte Übung. „So was kommt von so was!“ sagt der Volksmund.
Zu diesem interessanten Frauenleben gehört noch mehr: Die Liebe zu einem
Wissenschaftler aus der gleichen Sparte, dessen Namen sie trägt und den sie im
Rheinland kennenlernte. Der, aus Dörpen stammend, ganz so gern ins Emsland
nicht zurück wollte. Man heiratete, und Monika Niermann, wie viele Zugezogene dem
Emsland ganz schnell verfallen, belebte die Liebe ihres ersten emsländischen
Mannes zu seiner Heimat aufs Neue. Seit 1978 lebt sie nun schon in Kluse, da ist ihr
Zuhause, mitten auf dem platten Land. Drei Kinder sind in dieser Ehe groß
geworden, und auch das bedeutet etwas in diesem rastlosen, den Künsten und der
Wissenschaft um sie herum gewidmeten, umtriebigen Leben. Monika Niermann
kennt die Vorzüge dieses im Vergleich zu anderen Regionen stillen, weil reizärmeren
Land. Sie weiß um gedankliche und seelische Erneuerung bei ihren
Landaufenthalten, ihre Innovationsschübe verdankt sie dem Leben auf dem Lande, -
im Emsland. Wenn die Seele es braucht, kann man hier ganz tief durchatmen.
Ins Dreiländer -, korrekt: Dreigemeinden-Eck zwischen Kluse, Wippingen und
Renkenberge hat es sie verschlagen. Selbst für in der Geographie kenntnisreiche
Emsländer ist das „jwd“ (janz weit draußen). Monika Niermanns Bekenntnis zu den
unendlich wichtigen Potentialen des Landlebens für eine dafür empfängliche
Künstlerin gründet also auch auf dieser alten emsländischen Hofanlage zwischen
saftigem Weidegras und wiederkäuenden Galloways, - deren Abgeschiedenheit von
der modernen Welt. Das bedeutet nicht zwangsläufig Totenstille in den großen
Räumen unter schweren Balkendecken: Klassische, E- und U-Musik serviert uns
heute allen die moderne Tontechnik. Die Wohlfühl-Effekte sich also groß in Kluse.
Ich hatte das Glück, mich in ihren Atelierräumen umzusehen. Nachträglich kam ich
aus dem Staunen nicht heraus! - So vielfältig wie der Ablauf ihres Lebens, so
vielgestaltig ist ihre Kunst. Eben ihre Malerei und Graphik. Dabei gehört sie bereits
zu der Generation, für die die totale Abstraktion oder auch die Art Informel nur noch
Experimentierfelder darstellten und für gültige Bildlösungen Vergangenheit waren.
Seit Mitte der 60er Jahre war die Wiederauffindung von Gegenständlichkeit und
Figuration angesagt – bis hin zur Entwicklung eines strengen Realismus. Alle diese
Strömungen der figurativen Malerei sind in Monika Niermanns Bildern bei einem
Rundgang durch ihr Atelier wie in einem Zeitraffer wiederzufinden. – Bis hin zu einem
expressiven Realismus, wie ihn die „Neuen Wilden“ seit der Mitte der 80er Jahre
erlebbar machten. Ihr schönes, herbstliche Impressionen aufgreifendes Baumbild
(siehe Einladungskarte) steht für diese gestenreiche, fast unbändige Malerei.
Daneben gibt es viele Landschaftsbilder in Acryl und Aquarell in mehr oder weniger
starker Annäherung an das Vorbild Natur. Tief erlebte Augenblicke emsländischer
Landschaften sind darin verarbeitet, Kornfelder, Wiesen und Feldwege und vieles
mehr. Bemerkenswert erscheint auch die nachdenkliche, bäuerliche Vergangenheit
und Geschichte in Bildern umsetzende Seite: wie Bauernleben zu Zeiten der Eltern
und Großeltern funktionierte oder in der Familie ihres verstorbenen Mannes in
Dörpen. - Gegenständlichkeit und Figuration finden hier also ihre weite gestalterische
Spannbreite, immer unter dem Aspekt einer ausgewogenen Bildkomposition und
eines großen Harmoniegefühls für die Farbe, die zwischen monochromen Stufungen
im Aquarell bis hin zu strahlender Farbigkeit in den Acrylbildern wechseln kann.
Monochrome Abstraktionen mit Suchbildcharakter hat sie für ihre neuesten
graphischen Blätter, für ihre Monotypien gewählt.
Malen also kann die Künstlerin aus Kluse – und mit Schalk und Geist dem Betrachter
auf die Sprünge helfen: – in ihren „bildbegleitenden“ Installationen, zum Beispiel in
der kleinen Geschichte über den Weg und den Transport der Milch zwischen
Aluminium-Milchkanne (1955) und Einliter-Tetrapack (2005).
All das gehört zur emsländischen LandArt oder Land Art von Albert Radke und
Monika Niermann.
Schauen Sie also bitte selbst!